Fluorid ist in aller Munde – nicht zuletzt weil es in vielen Zahncrèmes enthalten ist. Fluorid hilft, Karies vorzubeugen, und gilt als notwendig für die Zahngesundheit.
In manchen Ländern der Welt wird Fluorid nicht nur der Zahncrème, sondern auch dem Trinkwasser zugegeben, um so eine flächendeckende Fluoridversorgung zu gewährleisten. Ist Fluorid so essenziell, dass uns ohne die Zähne ausfallen?
Zahngesundheit ist mehr als nur Fluorid
Vielleicht liegt es nicht nur am Fluorid aus der Zahncrème – vielleicht hat auch die Ernährung einen Einfluss. Immerhin kommen die Zähne nicht ganz unerheblich mit allem in Kontakt, was wir essen. Dies wiederum beeinflusst die Mundflora.
Zahnprobleme wurden ab der neolithischen Zeit bekannt, als der Mensch begann, stärkehaltige Pflanzen zu verarbeiten, so dass sich durch die veränderte Form (mehr verfügbarer Zucker) die Mundflora in einer Art und Weise veränderte, welche die Entstehung von Karies begünstigt (Humphrey et al., 2014). Vor der neolithischen Zeit jedoch (d. h. 5.000−2.000 v. Chr.) war Karies unbekannt (Stoy, 1951). Um jene Bedingungen nachzustellen, wurde eine Studie aufgesetzt, in der eine Reihe von Probanden für einen Monat in einem Reservat unter steinzeitlichen Bedingungen lebte (Baumgartner et al., 2009). Die Probanden verspeisten insbesondere Vollkorngetreide und Beeren, aber auch Salz, Kräuter, Honig sowie Milch und Fleisch von Haustieren (Ziegen und Hennen), essbare Pflanzen sowie Fisch, wenn mal einer gefangen werden konnte.
Wie von den Autoren erwartet bildeten sich aufgrund der fehlenden Zahnhygiene dentale Plaques, jedoch verbesserte sich der Zustand des Zahnfleisches. Die Autoren der Studie führen dies einerseits auf eine verbesserte Mundflora zurück, denn pathogene Bakterien, die üblicherweise im Zusammenhang mit Karies gefunden werden, waren nicht vorhanden. Zusätzlich nennen die Autoren die in Beeren und Vollkorngetreide enthaltenen entzündungshemmenden Polyphenole als Schutzfaktor. Die Autoren ziehen die Schlussfolgerung, dass das klassische Setting (Karies tritt auf, sobald die Zahnhygiene unterbrochen wird) u. U. nur auf Personen zutrifft, die einer westlichen Ernährungsform reich an raffiniertem Zucker sowie arm an entzündungshemmenden (sprich: vollwertigen pflanzlichen) Lebensmitteln nachgehen. Aus zahnmedizinischer Sicht sollte allerdings niemand auf eine angemessene Mundhygiene verzichten!
Oxidativer Stress
Zahnfleischerkrankungen (die Zahnerkrankungen nach sich ziehen) können auch durch oxidativen Stress mit hervorgerufen werden, weswegen im Rahmen der Ernährung eine ausreichende Zufuhr von Antioxidantien wichtig ist (Tonetti & Chapple, 2011). Im einzelnen raten jene Autoren dazu, ausreichend Ballaststoffe, Früchte (inkl. Beeren), Gemüse sowie Fischöl in die Ernährung zu integrieren. Gleichzeitig solle raffinierter Zucker reduziert sowie bei übergewichtigen Personen auf Kalorienrestriktion geachtet werden.
Eine kurze Bemerkung zum Fischöl: Tonetti und Chapple (2011) beschreiben die Notwendigkeit entzündungshemmender Omega-3-Fettsäuren, die aus deren Sicht über Fischöl zu beziehen sei. Neben der Belastung von Fisch mit Umweltgiften (Ruzzin, 2012; Schecter et al., 2010) ist hierbei auch die ethische Problematik des Fischfangs ein wichtiger Punkt. Daher sei erwähnt, dass für eine bedarfsdeckende Zufuhr der genannten Omega-3-Fettsäuren kein Fisch(öl)verzehr notwendig ist, da der Fisch jene Substanzen von bestimmten Algen bezieht. Wir Menschen können unsere Omega-3-Fettsäuren ebenfalls direkt von den Algen beziehen und den „Mittelfisch“ einfach streichen. Es liegen einige solcher Algenöl-Präparate vor, das die langkettigen Omega-3-Fettsäuren (DHA und EPA) in ausreichender Dosierung enthalten.
An anderer Stelle wird zur Förderung der Zahngesundheit neben einer Betonung von Obst und Gemüse auch explizit zur Reduktion gesättigter Fettsäuren geraten (DoH, 2014), die in tierischen Lebensmitteln sowie in manchen Ölen (insbesondere Kokos- und Palmöl) enthalten sind.
Risiken und Nebenwirkungen von Fluorid
Fluorid ist ein Spurenelement, das z. B. in Mineralwasser und schwarzem Tee vorkommt. Es existieren Zufuhrempfehlungen, die möglicherweise über eine gesunde Ernährung einhaltbar ist. Die Zufuhr von Fluorid aus Zahncrèmes stellt eine Supplementierung dar, die grundsätzlich zu überdenken und deren Notwendigkeit im Einzelfall zu prüfen ist, denn die hier genannte Art der Supplementierung scheint tatsächlich auch gewisse Probleme mit sich zu bringen. Fluorid, das im Rahmen von Zahncrèmes zur Supplementierung eingesetzt wird, liegt dort im Regelfall nicht in einer natürlichen Form vor, auch die Dosierung kann am Ende des Tages möglicherweise zu hoch sein. Was ist problematisch? Beispielsweise zeigt eine Studie, dass Fluorid die Intelligenz negativ beeinflussen kann (Choi et al., 2012). Auch für die Schilddrüse ist Fluorid nicht ganz ohne Risiko, da es zu einer Hypothyreose führen oder dazu beitragen kann (Susheela, 2005), denn durch die Fluoridzufuhr wird ein bereits vorhandener Jodmangel noch verstärkt (Hong et al., 2008).
Dies ist v. a. in der Schwangerschaft problematisch, da eine Hypothyreose der werdenden Mutter die Intelligenz des Kindes negativ beeinflusst, wobei es sich höchstwahrscheinlich um eine kausale Wirkrichtung handelt (Klein et al., 2001).
Auch andere Erkrankungen, wie z. B. Dyspepsie, d. h. Oberbauchbeschwerden wie etwa Übelkeit, Völlegefühl, Erbrechen oder Sodbrennen, scheinen mit der Fluoridzufuhr zusammenzuhängen (Das et al., 1994). Fluorid kann sich in der Zirbeldrüse anreichern und zu deren Verkalkung beitragen (Luke, 2001). Die Zirbeldrüse produziert Melatonin, ein Hormon, das insbesondere den zirkadianen Rhythmus reguliert. Die Annahme, dass eine Verkalkung der Zirbeldrüse die Melatoninproduktion ungünstig beeinflusst, ist in Studien bestätigt worden (Kunz et al., 1999). Es kann dann vermehrt zu Müdigkeitserscheinungen am Tag sowie zur subjektiven Wahrnehmung von Schlafstörungen kommen.
Und nun? Wie sinnvoll ist Fluorid?
Fluorid unterstützt bei der Kariesprophylaxe und ist bei eher ungünstigen Ernährungsmustern oder in bestimmten (zahn-) medizinisch indizierten Situationen mit Sicherheit hilfreich, wenn der behandelnde Zahnarzt nach Abwägung der Vor- und Nachteile im Einzelfall die Notwendigkeit sieht. Es wäre zu begrüßen, wenn im zahnärztlichen Kontext eine Ernährungsberatung kooperativ inkludiert würde, um das Ernährungsverhalten zu verbessern. Dies kann ebenfalls zur Zahngesundheit beitragen und führt vielleicht dazu, dass eine Supplementierung von Fluorid über die Zahncrème von einem Muss mehr zu einer Option wird. Bei Kindern, auch ungeborenen, dürfte eine gewisse Zurückhaltung angebracht sein, was Fluoridsupplementierungen angeht. Wie sinnvoll Fluorid ist, sollte also mehr zu einer Einzelfallentscheidung werden.