Vegane Ernährung und kritische Nährstoffe, Teil 6: Omega-3-Fettsäuren

Omega-3-Fettsäuren

Im heu­ti­gen letz­ten Teil der Arti­kel­se­rie rund um kri­ti­sche Nähr­stof­fe bei vega­ner Ernäh­rung sehen wir uns die sog. lang­ket­ti­gen Ome­ga-3-Fett­säu­ren an. Im Posi­ti­ons­pa­pier der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rung zur vega­nen Ernäh­rung wer­den die­se eben­falls in die Grup­pe jener Nähr­stof­fe auf­ge­nom­men, deren Zufuhr unter­halb der Emp­feh­lung lie­gen kann. Wir sehen uns an, wie man vor­ge­hen kann, um den Bedarf zu decken.

Zum einen besteht die Mög­lich­keit, so die DGE in ihrem Posi­ti­ons­pa­pier, ent­spre­chend ange­rei­cher­te Lebens­mit­tel zu ver­wen­den. Es sind bei­spiels­wei­se Spei­se­öle erhält­lich, denen lang­ket­ti­ge Ome­ga-3-Fett­säu­ren hin­zu­ge­fügt wer­den – die­se sind dann aus­schließ­lich für die kal­te Küche zu nut­zen, da Ome­ga-3-Fett­säu­ren nicht erhitzt wer­den sollten.

Den lang­ket­ti­gen Ome­ga-3-Fett­säu­ren, also Doco­sa­he­xa­en­säu­re (DHA) und Eico­sapen­taen­säu­re (EPA) steht die kurz­ket­ti­ge Ome­ga-3-Fett­säu­re Alpha-Lin­o­len­säu­re (ALA) gegen­über. Letzt­ge­nann­te kommt z. B. in Wal­nüs­sen, Lein­sa­men oder Raps bzw. in dar­aus her­ge­stell­ten Ölen vor. ALA ist essen­zi­ell, d. h. sie muss über die Nah­rung zuge­führt werden.

Umwandlung von Omega-3-Fettsäuren

Der mensch­li­che Kör­per ver­fügt über ein Enzym­sys­tem, das ALA in DHA bzw. EPA umwan­deln kann – aller­dings nur in gerin­gen Men­gen, so dass etwa die WHO oder auch die EFSA eine täg­li­che Zufuhr von 250 mg der lang­ket­ti­gen Ome­ga-3-Fett­säu­ren für Erwach­se­ne emp­feh­len (Flock et al., 2013). Als gän­gi­ge Quel­len gel­ten nor­ma­ler­wei­se Fisch sowie Fisch­öl. Wich­tig ist, dass das genann­te Enzym­sys­tem auch die pro­ent­zünd­li­chen Ome­ga-6-Fett­säu­ren wei­ter­ver­ar­bei­tet. D. h. Ome­ga-3- und Ome­ga-6-Fett­säu­ren kon­kur­rie­ren sozu­sa­gen um freie Slots.

Die Umwand­lungs­ra­te von ALA liegt bei etwa 5 % (EPA) bzw. unter 0,5 % (DHA), was recht gering ist (Plour­de & Cunn­a­ne, 2007). Da bei Vega­nern wesent­li­che Quel­len von Ome­ga-6-Fett­säu­ren weg­fal­len, kann ange­nom­men wer­den, dass die Umwand­lungs­ra­te auf Ome­ga-3-Sei­te bei jenem Per­so­nen­kreis höher ist – und tat­säch­lich konn­te eine Stu­die zei­gen: Obwohl die Zufuhr lang­ket­ti­ger Ome­ga-3-Fett­säu­ren bei Vege­ta­ri­ern und Vega­nern um 57 – 80 % nied­ri­ger als bei den Fisch­essern war, waren die Unter­schie­de in den Blut­spie­geln zwi­schen den Grup­pen klei­ner, was auf eine höhe­re Umwand­lungs­ra­te schlie­ßen lässt (Welch et al., 2010). Bereits eine Ver­rin­ge­rung von Ome­ga-6-Fett­säu­ren hin zu einem Ver­hält­nis von 4:1 führt zu einer Ver­bes­se­rung der Meta­bo­li­sie­rung von Ome­ga-3-Fett­säu­ren (Liou et al., 2007). Das bes­te Ergeb­nis hin­sicht­lich der Umwand­lung konn­te bei einem Ver­hält­nis von 1:1 erreicht wer­den (Har­nack et al., 2009).

Es ist mög­lich, dass der Orga­nis­mus die endo­ge­ne Syn­the­se nach 10 Mona­ten ange­passt hat, wenn die lang­ket­ti­gen Ome­ga-3-Fett­säu­ren nicht mehr von außen zuge­führt und gleich­zei­tig 3 g ALA täg­lich ver­zehrt wer­den (Eza­ki et al., 1999). Ins­ge­samt ist die Daten­la­ge aber noch nicht so reich­hal­tig, um gesi­cher­te Emp­feh­lun­gen aus­zu­spre­chen, so dass für DHA bzw. EPA das Sup­ple­ment die siche­re­re Alter­na­ti­ve darstellt.

Es bleibt zu erwäh­nen, dass die Umwand­lungs­ra­te bei bestimm­ten Erkran­kun­gen, wie z. B. Adi­po­si­tas, Blut­hoch­druck, Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2, Koro­na­re Herz­er­kran­kung, Athero­skle­ro­se und Alz­hei­mer, her­ab­ge­setzt ist (Das, 2006). Auch Infek­tio­nen und Stress kön­nen die Umwand­lung ungüns­tig beein­flus­sen (Hor­ro­bin, 1993). Da zahl­rei­che Mikro­nähr­stof­fe (Mine­ral­stof­fe, Spu­ren­ele­men­te, Vit­ami­ne) als Kofak­to­ren für Enzy­me, fun­gie­ren, kön­nen dies­be­züg­li­che Män­gel eben­falls zu einer Ver­min­de­rung der Kon­ver­si­on füh­ren. Auch eine Pro­te­in-Unter­ver­sor­gung birgt jenes Risi­ko, da Enzy­me aus Pro­te­in gebil­det wer­den. Gesät­tig­te Fett­säu­ren und Cho­le­ste­rol sowie Trans­fett­säu­ren haben eben­falls einen ungüns­ti­gen Effekt auf die Umwand­lung (Das, 2006). Haupt­quel­len für gesät­tig­te Fett­säu­ren und Cho­le­ste­rol sind Kokos-/Palm­öl sowie tie­ri­sche Lebens­mit­tel, wäh­rend Trans­fett­säu­ren haupt­säch­lich in Frit­tier­fett, Back­wa­ren und Fer­tig­ge­rich­ten sowie natür­li­cher­wei­se in Fleisch und Milch vorkommen.

Relation von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren

Ome­ga-3-Fett­säu­ren ver­fü­gen über ein anti­ent­zünd­li­ches Poten­zi­al, wäh­rend Ome­ga-6-Fett­säu­ren pro­ent­zünd­lich wir­ken (Tor­to­sa-Capar­rós et al., 2017). Trotz­dem benö­ti­gen wir bei­de – die Lin­ol­säu­re (LA) ist eine essen­zi­el­le Fett­säu­re, die wir über die Nah­rung zufüh­ren müs­sen. Die Deut­sche Gesell­schaft für Ernäh­rung emp­fiehlt ein Ver­hält­nis von 5:1 (Ome­ga 6 : Ome­ga 3). In der mensch­li­chen Evo­lu­ti­on könn­te das Ver­hält­nis sogar bei 1:1 gele­gen haben (Sim­opou­los, 2016).

Im all­ge­mei­nen stellt die bedarfs­ge­rech­te Zufuhr von Ome­ga-6-Fett­säu­ren weni­ger ein Pro­blem dar – aber es besteht die Gefahr, dass durch einen Über­hang an tie­ri­schen Lebens­mit­teln, ins­be­son­de­re Fleisch und Eier, die Ome­ga-6-Fett­säu­re Arach­idon­säu­re in zu hohem Maß zuge­führt wird, da jene Fett­säu­re dort ent­hal­ten ist (Innes & Cal­der, 2018). Dem­entspre­chend über­rascht es wenig, dass eine west­li­che Ernäh­rung – die ent­ge­gen der Emp­feh­lun­gen reich an tie­ri­schen Lebens­mit­teln ist – ein Ome­ga-3-zu-Ome­ga-6-Ver­hält­nis von etwa 15:1 auf­weist (Sim­opou­los, 2002).

Ins­ge­samt erscheint es sinn­voll, mit Lein­sa­men, Wal­nüs­sen, Chi­a­sa­men, Hanf­sa­men sowie einem algen­ba­sier­ten Ome­ga-3-Sup­ple­ment dafür zu sor­gen, dass die Ver­sor­gung mit Ome­ga-3-Fett­säu­ren gut ist. Gleich­zei­tig macht es Sinn, Lebens­mit­tel, die hohe Gehal­te an Ome­ga-6-Fett­säu­ren ent­hal­ten, sel­te­ner zuzu­füh­ren. Dies ist neben Fleisch und Eiern auch z. B. Son­nen­blu­men­öl. Zusätz­lich zu Lein­sa­men kann auch Lein­öl ver­wen­det wer­den, da ALA hier höher kon­zen­triert ist als in den Lein­sa­men selbst – nichts­des­to­trotz sind Lein­sa­men ein gesun­des, voll­wer­ti­ges Lebens­mit­tel, das in der täg­li­chen Palet­te nicht feh­len sollte.

Pflanzliche Quellen

Wer kein Fisch oder Fisch­öl neh­men möch­te, kann auf Algen­öl zurück­grei­fen. Dies wird aus bestimm­ten Mikro­al­gen gewon­nen, und letzt­end­lich bekom­men die Fische es auch dort­her. Wenig über­ra­schend konn­te daher nach­ge­wie­sen wer­den, dass die Ver­sor­gung mit DHA bzw. EPA auf Algen­öl­ba­sis genau so gut funk­tio­niert (Sar­ter et al., 2015).

Unterm Strich ist die pflanz­li­che Quel­le sogar vor­zu­zie­hen, denn obwohl Fisch letzt­end­lich DHA und EPA ent­hält, kön­nen dort auch eini­ge toxi­sche, gesund­heits­ge­fähr­den­de Sub­stan­zen wie z. B. Per­sis­tent Orga­nic Pol­lut­ants (POP) und Schwer­me­tal­le (etwa Queck­sil­ber, Blei, Cad­mi­um) ent­hal­ten sein (Jacobs et al., 2014). Zu erst­ge­nann­ten infor­miert auch das Umwelt­bun­des­amt. Man­che POP’s, genau­er: Poly­chlo­rier­te Biphe­nyle (PCB), gehen mit einem um 67 % höhe­ren Gesamt­ri­si­ko für Schlag­an­fäl­le sowie einem um das drei­fa­che erhöh­te Risi­ko für hämor­rha­gi­sche Schlag­an­fäl­le ein­her – eine Haupt­quel­le von PCB’s ist Fisch (Bergkvist et al., 2014). Selbst POP-Gehal­te, die als sicher gel­ten, kön­nen die posi­ti­ven Effek­te der im Fisch ent­hal­te­nen Ome­ga-3-Fett­säu­ren auf­he­ben (Ruz­zin & Jacobs, 2012). Jene Kon­ta­mi­nan­ten kom­men in algen­ba­sier­ten Ölen nor­ma­ler­wei­se nicht vor (Lane et al., 2014).

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