Im vorliegenden dritten Teil der Artikelserie zu kritischen Nährstoffen in einer veganen Ernährung betrachten wir Calcium. Auch jener Nährstoff kann bei unzureichender Planung zu knapp werden, wie im Positionspapier der DGE (Richter et al., 2016) zurecht angemerkt wird. Wie kann man hier aber trotzdem den Bedarf decken?
Calcium in Lebensmitteln
Dieser Mineralstoff ist untrennbar mit der Knochengesundheit verbunden. Etwa 99 % des körpereigenen Calciums befinden sich in Knochen und Zähnen, nur 1 % befindet sich außerhalb davon. Doch auch bei der Blutgerinnung, Muskelkontraktion sowie im Rahmen des Zellstoffwechsels ist Calcium unverzichtbar.
Gerade Calcium wird gerne am ehesten mit Milch bzw. Milchprodukten in Verbindung gebracht (Milch meint Kuhmilch). So benennt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Milch und Milchprodukte – mit der Ausnahme von Quark – als „Calciumlieferant Nr. 1“ (DGE, 2013). Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese in der Öffentlichkeit sehr verbreitet sind und die Empfehlungen der DGE auf eine grundsätzlich mischköstliche Ernährung abgestimmt sind. Jedoch müsste man einen Schritt zurückgehen und hinterfragen: Woher bekommt eigentlich die Kuh ihr Calcium? Die Kuh bildet das Calcium nicht selbst, sie nimmt es – letztendlich genau so wie der Mensch – über die Nahrung auf (von evtl. Supplementierungen des Tierfutters sehen wir hier einmal ab).
Calcium und vegane Ernährung
Im Positionspapier der DGE zur veganen Ernährung (Richter et al., 2016) nennen die Autoren folgende calciumreiche Lebensmittel: Neben calciumreichen Mineralwässern (mindestens 150 mg/L) und angereicherten Lebensmitteln sind dies Gemüse (z. B. Brokkoli, Grünkohl, Rucola), Nüsse (z. B. Haselnüsse, Paranüsse), Hülsenfrüchte, Fleischersatz aus Soja (texturiertes Sojaprotein), Tofu. Auf Paranüsse kommen wir zu sprechen, wenn es um Selen geht.
Angereichterte Lebensmittel sind z. B. Pflanzendrinks, die durch den Zusatz von Lithothamnium calcareum, einer Rotalge, in der Regel so viel Calcium enthalten wie Kuhmilch (120 mg/L). Calciumreiches Mineralwasser ist ebenfalls ein interessantes Lebensmittel, da es einen guten Beitrag zur Deckung des Calciumbedarfs leisten kann – im Vergleich zur Kuhmilch ist die Bioverfügbarkeit jenes Mineralstoffs dort signifikant höher (Bohmer et al., 2000). Bei pflanzlichen Lebensmitteln ist die Bioverfügbarkeit sehr unterschiedlich – sie kann höher oder auch niedriger als etwa bei Milch und Milchprodukten sein. Daher ist es wichtig, eine (vegane) Ernährung möglichst vielseitig zu gestalten. Bei oxalsäurereichen Lebensmitteln, wie etwa Spinat, ist die Verfügbarkeit des Calciums eher gering. Daher ist eine möglichst abwechslungsreiche (vegane) Ernährung zur Deckung des Calciumbedarfs wichtig.
Lebensmittel, die reich an Oxalsäure sind (z. B. Spinat, Rhabarber, Rote Bete) sollten in Maßen verzehrt werden, da jene Substanz bei größeren Verzehrsmengen das Risiko für Nierenerkrankungen oder Nierensteine steigt. Verarbeitungsschritte wie Blanchieren oder Kochen können den Oxalsäuregehalt verringern, das Kochwasser sollte nicht weiterverwendet werden, rät die Verbraucherzentrale Bayern.
Nicht nur bei veganer Ernährung ein kritischer Nährstoff
Interessant ist, dass Calcium nicht nur bei einer veganen Ernährung ein kritischer Nährstoff ist. So stellte die Nationale Verzehrsstudie 2 (MRI, 2008) fest, dass 46 % der Männer sowie 55 % der Frauen die Zufuhrempfehlung unterschreiten. Bei weiblichen Jugendlichen (74 %) sowie älteren Frauen (65 %) bzw. Männern (61 %) seien die Anteile besonders hoch. Es handelt sich also keineswegs um ein vegan-spezifisches Problem, da die Anzahl vegan lebender Menschen in Deutschland geringer ist als die Menge jener, die zu wenig Calcium aufnehmen.
Gerade bei älteren Menschen stellt eine ausreichende Calciumzufuhr einen wichtigen Aspekt im Rahmen der Osteoporose-Prävention dar. In diesem Zusammenhang scheint eine vegane Ernährung nicht per se ein Risikofaktor zu sein, denn etwa Appleby et al. (2007) konnten bei Veganern im Vergleich zu Vegetariern (die ja Milch und Milchprodukte verzehren) keine signifikant höhere Rate an Knochenbrüchen feststellen. Auch Ho-Pham et al. (2012) fanden im Verlauf von zwei Jahren keine signifikant unterschiedliche Entwicklung der Knochendichte bei Veganern im Vergleich zu Mischköstlern, obwohl sich die Calciumzufuhr signifikant unterschied. D. h. die höhere Calciumzufuhr bei Mischköstlern ist möglicherweise nicht zwangsläufig ein Schutzfaktor. Es scheint also nicht vorrangig darum zu gehen, wer das meiste Calcium bekommt, sondern wie der tatsächliche Bedarf aussieht.
Tatsächlich besteht die Möglichkeit, dass der tatsächliche Calciumbedarf deutlich niedriger ist als bisher angenommen (Hunt & Johnson, 2007). Dafür sprechen ebenfalls die Ergebnisse von Bischoff-Ferrari et al. (2007), die auf eine fehlende Schutzwirkung einer Calcium-Supplementierung in Bezug auf das Hüftfrakturrisiko hinweisen. Der Verzehr von Milch scheint diesbezüglich auch keine primäre Schutzfunktion aufzuweisen (Bischoff-Ferrari et al., 2011), möglicherweise erhöht Milch das Risiko sogar (Feskanich et al., 2014). Eine denkbare Ursache ist die in Kuhmilch enthaltene Galaktose (Batey LA et al., 2013) – was wiederum bedeutet, dass etwa laktosefreie Milch auch keine Lösung wäre, da die ursprünglich enthaltene Laktose bei der Herstellung enzymatisch in Glukose und eben Galaktose aufgespalten wird.
Ho-Pham et al. (2012) merken noch an, dass eine Verringerung der Knochendichte auf Seiten der Mischköstler mit der Zufuhr von tierischem Fett und Protein bzw. auf veganer Seite mit einer Unterversorgung an Vitamin D zusammenhing. Vitamin D im allgemeinen besprechen wir an anderer Stelle, bzw. noch einmal separat in Bezug auf die vegane Ernährung. Hier sei nur in Kürze erwähnt, dass Vitamin D u. a. an der Knochengesundheit beteiligt ist, da es die Calciumaufnahme fördert.
Supplementierung von Calcium
Calcium-Supplemente sollten nur in medizinisch indizierten Fällen, und dann sehr bedacht, eingesetzt werden, da neben dem wahrscheinlich fehlenden Schutz vor Frakturen auch Risiken, gerade in Bezug auf die kardiovaskuläre Gesundheit oder das Auftreten eines Herzinfarkts (Bolland et al., 2011), bestehen, auch die Gesamtsterblichkeit könnte durch Calcium-Supplementierung – nicht jedoch durch Nahrungs-Calcium – erhöht werden (Tankeu et al., 2017).
Gegenstand des nächsten Teils dieser Artikelreihe ist Eisen.