Sind chemische Süßungsmittel sicher?

Chemische Süßung

„Sweet tooth“ nennt man im Eng­li­schen unse­re Vor­lie­be für Süßes. Nach Süßem zu stre­ben ist ein natür­li­cher und evo­lu­tio­när sinn­vol­ler Antrieb (genau wie jener für Fett und Salz), da er uns in unse­rer Ver­gan­gen­heit dazu ver­an­lasst hat, koh­len­hy­drat- und stär­ke­rei­ches Obst und Gemü­se zu essen. Das hat über eine sehr lan­ge Zeit unser Über­le­ben als Spe­zi­es gesi­chert. Doch spu­len wir die Mensch­heits­ge­schich­te vor in die Gegen­wart – ist der „sweet tooth“ zum Pro­blem gewor­den? Wie pro­ble­ma­tisch sind che­mi­sche Süßungsmittel?

Man kann auf natürliche Weise süßen

Einer­seits nein, denn noch immer dient er dazu, dass wir Obst und Gemü­se essen – das ist gut. Und wenn es mal trotz­dem nicht süß genug sein soll­te, könn­ten wir unse­ren „sweet tooth“ befrie­di­gen, indem wir mit gesun­den, voll­wer­ti­gen Süßungs­mit­teln, wie Dat­tel­sü­ße (d. h. getrock­ne­te und ver­mah­le­ne Dat­teln) oder Dat­tel­si­rup (d. h. pürier­te, evtl. mit etwas Was­ser ver­dünn­te Dat­teln) nach­hel­fen, auch Kokos­blü­ten­zu­cker oder Zucker­rü­ben­me­las­se sind natür­li­che und in mäßi­gen Men­gen unbe­denk­li­che Süßungsmittel.

Hochverarbeitete und chemische Süßungsmittel

Die Lebens­mit­tel­in­dus­trie geht, nicht zuletzt aus wirt­schaft­li­chen Grün­den, lei­der ande­re Wege, denn hoch­wer­ti­ge Süßungs­mit­tel sind teu­er. Sie nutzt güns­ti­ge hoch­ver­ar­bei­te Pro­duk­te wie etwa Streu­zu­cker oder Stevia­pul­ver, die zwar grund­sätz­lich natür­li­chen Ursprungs sind, aber nichts mehr mit den eigent­li­chen Pflan­zen zu tun haben, aus denen sie extra­hiert wor­den sind. Gera­de Stevia ist in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der als gesun­de Alter­na­ti­ve bewor­ben wor­den, bringt jedoch (als Extrakt, nicht als voll­wer­ti­ge Pflan­ze) poten­ti­el­le DNA-schä­di­gen­de Eigen­schaf­ten mit sich (Goy­al et al., 2010). Eine wei­te­re Mög­lich­keit, derer sich die Lebens­mit­tel­in­dus­trie oft bedient, ist der Ein­satz che­misch-syn­the­ti­scher Alter­na­ti­ven, wie z. B. Aspartam, Ace­sul­fam oder Cyclamat.

Hoch­ver­ar­bei­te­te Süßungs­mit­tel ver­fü­gen über kei­nen Gesund­heits­wert, da sie frei von Nähr­stof­fen sind, aber in vie­len Fäl­len trotz­dem Kalo­rien ent­hal­ten (das sind sog. lee­re Kalo­rien). Die che­mi­schen Vari­an­ten sind eben­falls frei von Nähr­stof­fen, kom­men aber zusätz­lich ohne Kalo­rien aus und schei­nen im Orga­nis­mus den­noch eine eher krank­heits­för­dern­de Wir­kung zu ent­fal­ten (Whi­te­house et al., 2008).

Chemische Süßungsmittel können problematisch sein

Dass sie ohne Kalo­rien aus­kom­men, aber trotz­dem eine Süßung wie Zucker lie­fern, wird in der Ver­mark­tung che­mi­scher Süßungs­mit­tel ger­ne betont. Dabei wird der Ein­druck erweckt, dass es kei­ne Aus­wir­kun­gen auf den Orga­nis­mus, ins­be­son­de­re auf das Kör­per­ge­wicht gebe.

Nor­ma­ler­wei­se reagie­ren wir mit gestei­ger­tem Appe­tit, wenn wir etwas Süßes essen, denn unser Kör­per denkt, dass wir gera­de gesun­des Obst ver­spei­sen (vie­le gesun­de Din­ge, die wir in unse­rer Evo­lu­ti­on immer geges­sen haben, sind süß, wie etwa Obst, vie­le Bee­ren, eini­ge Gemü­se­sor­ten, Süß­kar­tof­feln oder Boh­nen). Damit wir aber nicht über­es­sen, d. h. zu vie­le Kalo­rien auf­neh­men, reagiert unser Kör­per mit einem Sät­ti­gungs­ge­fühl (einem inter­nen Hin­weis­reiz), um uns zu signa­li­sie­ren, dass die Nah­rungs­auf­nah­me been­det wer­den soll, da aus­rei­chend Kalo­rien auf­ge­nom­men wurden.

Wer­den Pro­duk­te mit che­mi­schen Süßungs­mit­teln ver­setzt, liegt nur der gestei­ger­te Appe­tit durch den süßen Geschmack vor, das Sät­ti­gungs­ge­fühl bleibt aber auf­grund der feh­len­den Kalo­rien zunächst aus (Ruden­ga & Small, 2012). D. h. wir essen mehr, als wir ohne das che­mi­sche Süßungs­mit­tel geges­sen hät­ten, was am Ende des Tages zu einer ver­mehr­ten Kalo­rien­auf­nah­me führt und in Fol­ge zur Zunah­me von Kör­per­ge­wicht bei­tra­gen kann (Hill et al., 2014; Yang, 2010).

Auch auf psy­chi­scher Ebe­ne haben che­mi­sche Süßungs­mit­tel eine Aus­wir­kung. Deren Nut­zung stei­gert etwa das Risi­ko einer Depres­si­on um 14 – 24 % (Guo et al., 2014). Fol­gen einer Nut­zung von Aspartam umfas­sen z. B. Kopf­schmer­zen, Ner­vo­si­tät, Schmer­zen des unte­ren Rückens, Übel­keit, Depres­si­on und Schlaf­pro­ble­me, und zwar v. a. bei Per­so­nen, die in ihrem Leben bereits eine Depres­si­on hat­ten (Walt­on et al., 1993). Eben­so scheint Aspartam neben bestimm­ten psy­chi­schen Stö­run­gen auch Lern­schwie­rig­kei­ten mit­zu­be­din­gen sowie die Emo­tio­na­li­tät zu beein­flus­sen (Hum­phreys et al., 2008; Linds­eth et al., 2014). Auch Zusam­men­hän­ge zwi­schen Aspart­am­kon­sum und bestimm­ten Krebs­ar­ten (Non-Hodgkin-Lym­phom, mul­ti­ples Mye­lom und Leuk­ämie) sind nach­ge­wie­sen wor­den (Schern­ham­mer et al., 2012).

Auf­grund der Daten­la­ge wird in der For­schungs­li­te­ra­tur emp­foh­len, den Kon­sum von Aspartam zu mini­mie­ren, wäh­rend Schwan­ge­re und Kin­der es am bes­ten gar nicht ver­zeh­ren soll­ten (Soffrit­ti et al., 2014). Eini­ge che­mi­sche Süßungs­mit­tel begüns­ti­gen Ver­schie­bun­gen in der Darm­flo­ra, die u. a. das Risi­ko für chro­nisch-ent­zünd­li­che Darm­er­kran­kun­gen stei­gern (Nicker­son & McDo­nald, 2012).

Auch Zucker kann problematisch sein

Zucker steht mit einem erhöh­ten Risi­ko für Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen in Zusam­men­hang und trägt wesent­lich zu Über­ge­wicht und Adi­po­si­tas bei, da es sich um lee­re Kalo­rien han­delt (Schmidt, 2014). Zucker ist nicht nur ein Indi­ka­tor für unge­sun­de Ernäh­rung, son­dern tat­säch­lich ein eigen­stän­di­ger Risi­ko­fak­tor. Doch sind che­mi­sche Süßungs­mit­tel bes­ser? Immer­hin kom­men sie ohne Kalo­rien aus. Es konn­te gezeigt wer­den, dass das Krank­heits­ri­si­ko für bei­de Arten der Süßung nahe­zu iden­tisch ist (Swi­thers, 2015).

Überwindung der Sucht nach verarbeiteten und chemischen Süßungsmitteln

Das Pro­blem ist die süch­tig­ma­chen­de Wir­kung sol­cher Süßungs­mit­tel. Ein mög­li­cher Weg aus die­ser Sucht her­aus ist der vor­über­ge­hen­de Ver­zicht auf ver­ar­bei­te­te und che­mi­sche Süßungs­mit­tel, um dem Gehirn sozu­sa­gen ein „Reset“ zu ermög­li­chen, so dass man anschlie­ßend kein Ver­lan­gen mehr danach hat (Cant­ley, 2014). Ohne die­ses Ver­lan­gen ist es dann eher mög­lich, ent­spre­chen­de Lebens­mit­tel – in klei­nen Men­gen – mehr zu genie­ßen, anstatt sie unkon­trol­liert zu essen.

Tat­säch­lich ändert sich die geschmack­li­che Prä­fe­renz nach etwa zwei Wochen – bes­ser gesagt: sie nor­ma­li­siert sich, denn die über­mä­ßi­ge Süßung durch ver­ar­bei­te­te wie che­mi­sche Süßungs­mit­tel wird dann als zu süß wahr­ge­nom­men, wäh­rend natür­li­che Süße, wie sie in voll­wer­ti­gen pflanz­li­chen Erzeug­nis­sen vor­kommt, inten­si­ver erlebt wird (Bar­to­lot­to, 2015).

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