Pflanzliche Ernährung und Depression

Depression

Knapp 12 % der Deut­schen lei­den an einer Depres­si­on (Sta­tis­ta, 2011a). Die­se psy­chi­sche Stö­rung ist gleich­zei­tig die welt­weit am häu­figs­ten auf­tre­ten­de, denn 350 Mil­lio­nen Men­schen lei­den dar­un­ter. Am zweit­häu­figs­ten ist der Sub­stanz­miss­brauch, von dem 90 Mil­lio­nen Men­schen betrof­fen sind (Sta­tis­ta, 2011b).

Eine Depres­si­on ist im wesent­li­chen durch Trau­rig­keit, Unlust und Träg­heit sowie getrüb­ter Stim­mung gekenn­zeich­net. Wie hängt Ernäh­rung damit zusam­men? Kann man Ernäh­rung unter­stüt­zend ein­set­zen, um den Ver­lauf einer Depres­si­on zu beeinflussen?

Erkrankungsrisiko viariiert je nach Ernährungsmuster

Einen ers­ten Hin­weis lie­fert der Zusam­men­hang zwi­schen Stim­mung und der Ernäh­rungs­wei­se. So zeigt eine Stu­die, dass eine Reduk­ti­on des Ver­zehrs von Fleisch und Fisch die Stim­mung ver­bes­sert (Beez­hold & John­s­ton, 2012). Per­so­nen, die einer rein pflanz­li­chen Ernäh­rung fol­gen, ver­fü­gen über eine bes­se­re Stim­mung als Per­so­nen, die tie­ri­sche Lebens­mit­tel ver­zeh­ren (Beez­hold et al., 2014). Eine voll­wer­ti­ge pflanz­li­che Ernäh­rung scheint in Bezug auf Depres­si­on einen Schutz­fak­tor dar­zu­stel­len (Akba­ra­ly et al., 2009). Ent­spre­chend wird umge­kehrt bei depres­si­ven Pati­en­ten eine gerin­ge­re Zufuhr von Obst und Gemü­se fest­ge­stellt (Pay­ne et al., 2012).

Korrelation vs. Kausalität

Nun ist klar, dass kor­re­la­ti­ve Bezie­hun­gen kei­ne Aus­sa­ge über die kau­sa­le Wir­k­rich­tung zulas­sen – es könn­te sein, dass die Obst- und Gemü­se­zu­fuhr auf­grund der Depres­si­on gerin­ger ist, es ist aber auch mög­lich, dass die gerin­ge Zufuhr an Obst und Gemü­se die Depres­si­on (mit) ver­ur­sacht hat.

Auch kausale Wirkung der Ernährung ist nachgewiesen

Depres­si­on lässt sich tat­säch­lich durch eine rein pflanz­li­che Ernäh­rungs­in­ter­ven­ti­on ver­bes­sern (Agar­wal et al., 2015), auch das Sub­jek­ti­ve Wohl­be­fin­den steigt als direk­te Fol­ge eines ver­stärk­ten Ver­zehrs von Obst und Gemü­se (White et al., 2013)

Warum können Obst und Gemüse bei Depression helfen?

Es liegt nahe, sich die zugrun­de lie­gen­den Mecha­nis­men anzu­se­hen, die für die schüt­zen­de Funk­ti­on von Obst und Gemü­se ver­ant­wort­lich sind: Es schei­nen die hier ent­hal­te­nen Anti­oxi­dan­ti­en ein wich­ti­ger Grund zu sein, denn oxi­da­tiv­er Stress spielt eine Rol­le in der Ent­ste­hung ver­schie­de­ner psy­chi­scher Stö­run­gen, wie der biploa­ren Stö­rung, Schi­zo­phre­nie und eben Depres­si­on (Pan­dya et al., 2013). Ent­spre­chend hängt der Gehalt im Blut zir­ku­lie­ren­der Anti­oxi­dan­ti­en nega­tiv mit dem Risi­ko für Depres­si­on zusam­men (Bey­doun et al., 2013). D. h. je mehr Anti­oxi­dan­ti­en, umso gerin­ger das Erkrankungsrisiko.

Kann man nicht einfach ein Supplement einnehmen, das Antioxidantien enthält?

Anti­oxi­dan­ti­en sind nur wirk­sam, wenn sie in ihrem natür­li­chen Kon­text ver­zehrt wer­den, sprich: wenn sie aus voll­wer­ti­gen pflanz­li­chen Quel­len stam­men. Ent­spre­chen­de Sup­ple­men­te kön­nen sogar nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit haben (Pay­ne et al., 2012; Shar­pley et al., 2014). Es ist wahr­schein­lich, dass die Stof­fe, die als wirk­sam iden­ti­fi­ziert wor­den sind, nur im natür­li­chen Ver­bund wirk­sam sind, dass also die Syn­er­gie vie­ler Phy­to­nähr­stof­fe ent­schei­dend ist.

Und warum sind tierische Lebensmittel bei Depression ein Risikofaktor?

Depres­si­on ist letzt­end­lich eine ent­zünd­li­che Erkran­kung (Hash­mi et al., 2013; Rosen­blat et al., 2014). Die meis­ten tie­ri­schen Lebens­mit­tel, ins­be­son­de­re Fleisch und Eier, ent­hal­ten Arach­idon­säu­re, eine Ome­ga-6-Fett­säu­re, die pro-ent­zünd­lich wirkt. Jene Fett­säu­re bzw. deren Oxi­da­ti­on för­dert ent­zünd­li­che Pro­zes­se auch im Gehirn (Faroo­qui et al., 2007). Und tat­säch­lich haben Depres­si­ve signi­fi­kant mehr von die­ser Ome­ga-6-Fett­säu­re, was zu einem Anstieg depres­si­ver Epi­so­den um 47 % führt (Vaz et al., 2014). In Obst, Gemü­se und ande­ren pflanz­li­chen Lebens­mit­teln kommt die­se Sub­stanz nicht vor.

Nach Umstel­lung auf eine Ernäh­rungs­form, die frei von Arach­idon­säu­re ist, ver­bes­sert sich die Stim­mung nach zwei Wochen (Beez­hold & John­s­ton, 2012). In o. g. Stu­die von Akba­ra­ly et al. (2009) war noch Fisch ent­hal­ten, was die posi­ti­ven Effek­te der ansons­ten pflanz­li­chen Kost ver­mut­lich gedämpft hat, denn Beez­hold und John­s­ton (2012) stel­len fest, dass eine Ernäh­rungs­form, die Fisch ent­hält, deut­lich weni­ger effek­tiv ist als eine kom­plett fleisch­freie. Dies bestä­ti­gen ande­re Ergeb­nis­se, die neben Fisch noch gesüß­te Soft-Drinks, ver­ar­bei­te­tes Getrei­de (nicht Voll­korn­ge­trei­de!), Mar­ga­ri­ne und Light-Geträn­ke als wei­te­re pro-ent­zünd­li­che Nah­rungs­mit­tel­grup­pen iden­ti­fi­zie­ren. Auch die in Fleisch ent­hal­te­nen Endo­to­xi­ne haben ent­zün­dungs­för­dern­de Wir­kung und för­dern eben­falls depres­si­ve Sym­pto­me (Eisen­ber­ger et al., 2010).

Eine voll­wer­ti­ge pflanz­li­che Ernäh­rungs­form scheint die Ernäh­rungs­form mit dem stärks­ten anti-ent­zünd­li­chen Poten­zi­al zu sein (Jenk­ins et al., 2003; Sut­lif­fe et al., 2015). Jeder Schritt in die­se Rich­tung ist daher als sinn­voll anzusehen.

Das Problem mit dem Serotonin

Sero­to­nin ist als Boten­stoff im syn­ap­ti­schen Spalt vor­han­den und wird bei einer Depres­si­on zu schnell abge­baut bzw. von den Ner­ven­zel­len wie­der auf­ge­nom­men und ist damit nicht mehr ver­füg­bar. Dies wird durch die Monoa­min-Oxi­da­se (MAO) bewerk­stel­ligt, und es ist gezeigt wor­den, dass Depres­si­ve ent­spre­chend über höhe­re MAO-Niveaus ver­fü­gen (Mey­er et al., 2006).

Tryp­top­han ist eine Ami­no­säu­re, die vom Kör­per zu Sero­to­nin umge­wan­delt wird, über die Ernäh­rung zuge­führ­tes Sero­to­nin kann die Blut-Hirn-Schran­ke nicht über­win­den und ist somit nicht nutz­bar (Ghir­ri et al., 2011). Tryp­top­han aber ist vom Orga­nis­mus verwendbar.

Wer­den zu vie­le tie­ri­sche Lebens­mit­tel ver­zehrt, die natur­ge­mäß viel Pro­te­in ent­hal­ten, gelangt nicht genü­gend Tryp­top­han über die Blut-Hirn-Schran­ke. War­um? Tryp­top­han ist eine von vie­len Ami­no­säu­ren, die in umso grö­ße­rer Anzahl in pro­te­in­rei­chen Lebens­mit­teln vor­kom­men. All die­se kon­kur­rie­ren um die begrenz­ten Trans­port­ka­pa­zi­tä­ten über die Blut-Hirn-Schran­ke hin­weg, der Tryp­top­han-Gehalt im Gehirn nimmt ab (Hud­son et al., 2007).

Kohlenhydrate helfen

Koh­len­hy­dra­te sor­gen dafür, dass Insu­lin aus­ge­schüt­tet wird. Dies wie­der­um trägt dazu bei, dass vie­le Ami­no­säu­ren von den Mus­keln auf­ge­nom­men wer­den, gera­de Tryp­top­han bleibt in grö­ße­rer Men­ge übrig, wodurch es sich eine bes­se­re Aus­gangs­po­si­ti­on für die Über­win­dung der Blut-Hirn-Schran­ke ver­schafft (Wurt­mann et al., 2003). Dort kann es dann zum Auf­bau von Sero­to­nin ver­wen­det wer­den. Koh­len­hy­dra­te sind hier also hilf­reich, wobei der Gesund­heits­wert erhöht wird, wenn man haupt­säch­lich auf voll­wer­ti­ge pflanz­li­che Lebens­mit­tel zurück­greift, deren kom­ple­xe Koh­len­hy­dra­te auf­grund des Bal­last­stoff­ge­halts lang­sa­mer resor­biert wer­den, wodurch die Insu­lin­aus­schüt­tung lang­sa­mer erfolgt.

Könnte man Tryptophan nicht supplementieren?

Auch Tryp­top­han wird bes­ser über die Ernäh­rung anstatt in Form von Sup­ple­men­ten bezo­gen, denn eine Sup­ple­men­tie­rung kann schwer­wie­gen­de irrever­si­ble Neben­wir­kun­gen in Form von Mus­kel­schmer­zen, chro­ni­scher Neu­ro­pa­thie sowie Haut­ver­här­tun­gen haben (Allen et al., 2011).

Wie lässt sich das bei Depression in ein Ernährungsmuster übersetzen?

Depres­si­ve Sym­pto­me und auch Emo­tio­nen wie Angst, Feind­se­lig­keit, Müdig­keit, Ange­spannt­heit, Trau­rig­keit und Ver­wirrt­heit las­sen sich durch eine Erhö­hung des Anteils voll­wer­ti­ger koh­len­hy­dratrei­cher sowie fett- bzw. pro­te­in­ar­mer Lebens­mit­tel redu­zie­ren (Brink­worth et al., 2009; Wurt­mann et al., 1989). Die­ses Makro­nähr­stoff­pro­fil scheint für uns Men­schen sinn­voll zu sein, um emo­tio­na­le Funk­tio­na­li­tät lang­fris­tig und nach­hal­tig zu unter­stüt­zen. Dies wird gestützt durch die Schluss­fol­ge­rung, dass voll­wer­ti­ge pflanz­li­che Lebens­mit­tel die psy­chi­sche Gesund­heit und Vita­li­tät ins­ge­samt ver­bes­sern kön­nen (Kat­cher et al., 2010).

Wich­tig ist die Dif­fe­ren­zie­rung der Koh­len­hy­dra­te in ein­fa­che (ver­ar­bei­te­te) und kom­ple­xe. Ers­te­re kom­men z. B. in Streu­zu­cker, Weiß­mehl­pro­duk­ten (wie z. B. hel­lem Brot, wei­ßen Nudeln, wei­ßem Reis) vor, letz­te­re sind in allen voll­wer­ti­gen Lebens­mit­teln (wie z. B. Voll­korn­brot, Voll­korn­reis) enthalten.

Ernährungsberatung nahe Frankfurt und online
scroll-up